Interview mit Tomatenzüchterin Ulrike Behrendt
Tomatenzüchter brauchen einen langen Atem. Im Schnitt dauert die Entwicklung einer Tomatensorte zehn Jahre bis zur Marktreife. Für die samenfeste Tomate "Ruth" hat Züchterin Ulrike Behrendt (61) von der "Oldendorfer Saatzucht" 14 Jahre benötigt. "Bei der Züchtungsarbeit darf man nicht ungeduldig sein", sagt die Fachfrau. Und es hat sich gelohnt: Strauchtomate Ruth besticht durch einen vorzüglichen, mildsüßen Geschmack mit einem feinen Säureanteil. Die mittelgroßen Früchte sehen sehr appetitlich aus mit ihrer leuchtend roten Haut und der charakteristischen Herzform. Beim traditionellen Tomatenfest in der Demeter Gärtnerei Sannmann wird dieses wunderbare Paradiesfrüchtchen jedes Jahr aufs Neue von hunderten Gästen zur beliebtesten Sorte gekürt.
Wegen der Corona-Krise fällt das Tomatenfest in der Demeter Gärtnerei Sannmann am 25. Juli 2020 leider aus.
Entstehung der samenfesten Demeter-Tomate "Ruth".
Wie kommt eigentlich der Geschmack in die Tomate und wie funktioniert die Züchtung einer Demeter Tomate überhaupt? "Im ersten Gang kreuzen wir verschiedene Linien", erklärt Interviewpartnerin Ulrike Behrendt. Da Tomaten Selbstbestäuber sind, sucht die Züchterin zwei verschiedene Elternteile aus unterschiedlichen Tomatensorten für die Fremdbestäubung aus. "Wir kastrieren die Blüte einer unreifen Blütenkrone der Mutterpflanze, indem wir die Staubgefäße entfernen. Dann stehen Narbe und Stempel quasi nackt da", so Ulrike Behrendt. Von der erklärten Vaterpflanze nehmen wir mit dem Fingernagel reife Blütenpollen auf und bestäuben damit die Mutterblüte." Die leckere Ruth stammt ursprünglich von einer Cocktailtomate und einer festbleibenden Sorte.
Die Samen dieser so entstehenden Tomaten werden ausgesät und somit wächst die erste Züchtungs-Generation, die F1-Hybriden (F von lat. Fila =Tochter), heran. Die Pflanzen zeichnen sich durch starke Wüchsigkeit und Homogenität aus. In konventionellen Züchtungsbetrieben werden jährlich Hunderte solcher Hybriden hergestellt.
Die Demeter-Züchtung von Ulrike Behrendt macht dort weiter, wo für viele Tomatensorten die Reise endet und sie später im Korb der Verbraucher landen. "Aus der F1 Generation nehmen wir Samen von Pflanzen, die uns gefallen", sagt die Züchterin. Wenn diese Samen zu Pflanzen werden, ist auf einmal alles anders: Die 2. Generation spaltet sich vielfältig auf - Pflanzen mit allen möglichen Eigenschaften wachsen heran. Aus dieser Generation sucht Ulrike Behrendt die Pflanzen aus, deren Bild sie in den nächsten neuen Aussaatgenerationen erhalten möchte. "Das ist die Reinzucht!", sagt die Fachfrau. Im Zeitraum von neun Jahren folgt ein Prozess fortwährender Einzelpflanzen-Auslese. "Jedes Jahr probieren wir, welche Tomaten am besten schmecken und nehmen von diesen Pflanzen Saatgut." Neben dem hervorragenden Geschmack achten Züchter auf gute Ertragseigenschaften und Krankheitsresistenzen. Vornehmliches Ziel ist in der Demeter Züchtung die "Samenfeste" einer Sorte. "Die F10-Generation sollte genetisch einheitlich sein, also immer wieder die gleichen Eigenschaften vererben." Das Saatgut jeder Ruth-Tomate bringt wieder wunderbare Ruth-Tomaten hervor.
Im langen Züchtungsprozess machen die Tomaten etliche Neben-Entwicklungen durch - so ist auch die kleine charakteristische Spitze der Ruth entstanden. Da viele Kreuzungen verschiedener Elternpaare, viele Linien nebeneinander laufen, "sieht man eigentlich erst zum Schluss, was man hat", sagt die erfahrene Züchterin. "Wir Züchter schaffen die Voraussetzung und begleiten die Entwicklung für eine gute Tomaten-Sorte - das Ergebnis ist ein Geschenk." Ulrike Behrendt hat die großartige Ruth nach ihrer Tochter benannt.
Tipps für Hobbygärtner: Tomaten entwickeln stärkere Geschmackseigenschaften, wenn sie sich im Boden viel selbst erarbeiten müssen. Durch zu viel Wasser wird der Geschmack buchstäblich verwässert. Im Anbau werden Tomaten häufig auf eine wüchsige und krankheitsresistente Unterlage gepfropft, der Geschmack leidet auch hier.